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"Visionär und inspirierend" - neues Gesprächsformat des FFF beim Filmfest München

Wird es noch Schauspieler/innen geben, wenn diese komplett im Computer erzeugt werden können? An dieser Frage orientierte sich am Samstag das Gespräch in der Black Box im Rahmen des Filmfest München. Sieben Denker/innen aus unterschiedlichen Bereichen sprachen ihre Thesen aus; ein neues Raum- und Zeitkonzept bezog das Publikum ein.

Kein Panel, keine Bühne, keine Front, kein üblicher Ablauf, keine eindimensionale hermetische Runde – das war die Vorgabe, die sich der FFF selbst gegeben hatte, um ein Gespräch anzuregen, das bis zur letzten Sekunde spannend bleibt.

Das Thema befasste sich mit der Zukunft des Filmemachens und der Frage danach, ob ein Film, der im Moment des Erzählens bereits auf dem Bildschirm als Realfilm gerendert wird, apokalyptisch oder paradiesisch sei. "This actress does not exist" lautete der Titel der Veranstaltung und lehnte sich damit an die Seite This Person Does Not Exist an, auf der mit jedem Mausklick Gesichter von Menschen, die es nicht gibt, erzeugt werden. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt in der heutigen Ausgabe die Veranstaltung als "in mehrerlei Hinsicht visionär und inspirierend".

Innerhalb der zwei Stunden sprachen sieben Denker/innen, die während der Veranstaltung in der Black Box verteilt saßen, jeweils in der Mitte des Raumes in fünf Minuten ihre eigenwilligen und prägnanten Thesen zum Thema aus. Nach jeder These diskutierte das Publikum zehn Minuten lang unter der Moderation von Urs Spörri und Olga Havenetidis.

Die Thesen stammten von: Nathalie Weidenfeld (Film- und Kulturwissenschaft), die im letzten Jahr gemeinsam mit Julian Nida-Rümelin das Buch Digitaler Humanismus: Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz veröffentlicht hat, Clarens Grollmann (Filmproduktion), der sowohl klassische linear erzählte Filme wie auch Games und Filme mit neuen Technologien realisiert, Julia Dettke (Literaturwissenschaft), die über Räume in der Literatur promoviert worden ist, Wolfgang Schmidbauer (Psychoanalyse), der über Konsum geforscht hat, Johanna Haberer (Theologie), Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung, Kia Vahland (Kunstgeschichte), deren Schrift Leonoardo da Vinci und die Frauen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2019 nominiert war und Susanne Steinmassl (Filmregie und Videokunst), die mittels KI einen unendlichen Film mit dem Titel The Future is not unwritten gemacht hat.

Die Gedanken handelten von der Unverfügbarkeit der Schauspieler/innen, der dringenden Anarchie und Unvorhersehbarkeit am Set, der Sehnsucht nach Unsterblichkeit (idealerweise unter Berücksichtigung der ewigen Jugend), der Vorbildfunktion von Schauspieler/innen, dem Unterschied zwischen Markt und Kunst, der nötigen Aufklärung der Zuschauer/innen, von der Aura und dem Bilderverbot, von Motion und Emotion Capture, Uncanny Valley sowie der künstlerischen Freiheit. Das Publikum brachte sich ein und benannte die Vorzüge der neuen Möglichkeiten (Michael Coldewey, Josef Reidinger), die Schaffung von Wirklichkeiten (Edgar Reitz) und die Notwendigkeit von Schauspieler/innen aus Fleisch und Blut (Irina Wanka). Am Ende zog Julia Pfeiffer von der TU München ein persönliches Resümee und lud die Filmemacher/innen dazu ein, bei den Conscious Coders, einer Gruppe der TU, die ethisch über die Einflüsse der Künstlichen Intelligenz und digitalen Technologien auf die Gesellschaft diskutiert, mitzumachen und das Medium Film zu vertreten.

"This actress does not exist" war eine Veranstaltung des FFF Bayern gemeinsam mit dem Mediennetzwerk Bayern, der Evangelischen Stadtakademie München und dem Filmfest München. Es war die erste Zusammenarbeit in dieser Konstellation.

FFF Geschäftsführerin Dorothee Erpenstein: "Uns erreichen auch zwei Tage später noch begeisterte Rückmeldungen von den Beteiligten und den Gästen. Das ungewöhnliche Format hat tatsächlich dazu beigetragen, neue Sichtweisen zu denken und zu hören. Ich bedanke mich bei allen Partnern, dass sie uns so großartig unterstützt und bei allen Denker/innen, dass sie sich auf dieses Wagnis eingelassen haben." 

Jutta Höcht-Stöhr, Leiterin der Evangelischen Stadtakademie: "'Digitalisierung heißt Dialogisierung'. Das hat auch dieses ganz analoge Gespräch über Digitalisierung  mit sehr grundlegenden Anregungen bestätigt. Ein Format das wir unbedingt weiterführen sollten."

Stefan Sutor, Leiter des Mediennetzwerks Bayern: "Wir freuen uns, dass wir Partner einer interaktiven und durch und durch neuen Veranstaltung waren. Durch die Auswahl der Speaker und die sehr guten Publikumsbeiträge war die Diskussion ebenso tiefgreifend wie offen nach vielen Richtungen."

Christoph Gröner, künstlerischer Leiter des Filmfest München: "Als ich das Konzept von 'This actress does not exist' gehört habe, war ich vom ersten Moment an überzeugt. Ein mutiges, experimentelles Format mit einer beeindruckenden Liste an Sprecher/innen. Wir sind stolz, als Filmfest München solche Räume zu eröffnen und anzubieten."